Kein Versicherungsschutz wegen einer Interessenvertretung in ursächlichem Zusammenhang mit Krieg oder feindseligen Handlungen?
In Anbetracht der in Folge der EU-Sanktionen gegen Russland aktuell zahlreichen Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) stellt sich die Frage, ob rechtsschutzversicherte Mandanten einen Anspruch gegen Ihre Rechtsschutzversicherung auf Freistellung von den Kosten der Strafverteidigung in diesen Verfahren haben.
Da es sich bei den strafbaren Sanktionsverstößen nach § 18 AWG um Vorsatzdelikte handelt, kommt ein Eintreten der Rechtsschutzversicherung nur bei Vorliegen eines sog. Spezial-Straf-Rechtsschutzes bzw. erweiterten Straf-Rechtsschutzes (die Produktbezeichnungen der Rechtsschutzversicherungen sind uneinheitlich) in Betracht.
Tatsächlich berufen sich Rechtsschutzversicherungen bei Deckungsanfragen für die Verteidigung in Außenwirtschaftsstrafverfahren auf den allgemeinen Ausschluss nach § 3 Abs. 1 lit. a ihrer Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB – diese sind regelmäßig den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. nachempfunden). Nach dieser Klausel besteht kein Versicherungsschutz im Falle einer „Interessenwahrnehmung in ursächlichem Zusammenhang mit Krieg, feindseligen Handlungen, Aufruhr, inneren Unruhen, Streik, Aussperrung oder Erdbeben“.
Den Versicherungsnehmern wird in diesen Fällen ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG (Außenwirtschaftsgesetz) in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (Russland-Sanktionsverordnung), vorgeworfen.
Ursächlich für die Interessenwahrnehmung in Form der Strafverteidigung der Versicherungsnehmer ist hier jedoch nicht der Ausbruch des Krieges in der Ukraine und auch nicht die Schaffung der Sanktionsverordnung durch die EU, sondern die den Versicherungsnehmern konkret vorgeworfene Handlung, also etwa der Verkauf von sanktionierten Waren nach Russland bzw. der Kauf solcher Waren aus Russland oder die Ausfuhr von Banknoten dorthin. Der Krieg hat für diese evtl. gegen die Russland-Sanktionen verstoßenden Handlungen keine Ursache gesetzt.
Hinsichtlich der Ursächlichkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 lit. a ARB gilt (Bruns in: Bruck/Möller, VVG, Bd. 5, 9. Aufl., § 3 ARB Rn. 8):
„Die Kausalität beurteilt sich entsprechend allgemeinen Grundsätzen: erforderlich ist zusätzlich zur äquivalenten Kausalität im Sinne der conditio sine qua non-Formel die Adäquanz der Verursachung (Adäquanztheorie), darüber hinaus ist konsequenterweise im Sinne der Lehre vom Normzweckzusammenhang der durch Auslegung zu ermittelnde Schutzzweck des jeweiligen Risikoausschlusses zu berücksichtigen.“
Der Eintritt des Kriegszustands hat in den beschriebenen Fällen den Versicherungsfall nicht herbeigeführt. Dies wäre jedoch der Schutzzweck des fraglichen Risikoausschlusses. Da der Schutzzweck in den fraglichen Fällen nicht erfüllt ist, greift der Risikoausschluss nicht.
Dass sich der Krieg in der Ukraine nicht im Sinne des Normzweckzusammenhanges auf die Notwendigkeit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen (also die Verteidigung gegen den Vorwurf eines Verstoßes gegen das AWG) ausgewirkt hat, ist auch daran erkennbar, dass zahlreiche andere EU-Sanktionsverordnungen existieren, die keine Reaktion auf einen Krieg darstellen. Dennoch sind auch Verstöße gegen diese Verordnungen nach der auch in den oben beschriebenen Fällen maßgeblichen Norm des § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AWG mit Strafe bedroht.
Insbesondere die zur Russland-Sanktionsverordnung sehr ähnliche Belarus-Sanktionsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 765/2006 des Rates vom 18. Mai 2006 über restriktive Maßnahmen gegen Präsident Lukaschenko und verschiedene belarussische Amtsträger) wurde nicht aufgrund kriegerischer Handlungen erlassen. Die Tatsache, dass die Motivation der EU für die Schaffung der Russland-Sanktionsverordnung kriegerische Handlungen waren, wirkt sich bei der Strafverteidigung wegen eines AWG-Verstoßes also nicht auf die konkrete rechtliche Interessenwahrnehmung aus.
Daher greift der Ausschluss nach § 3 Abs. 1 lit. a ARB wegen Krieges bzw. feindseligen Handlungen bei nach § 18 AWG strafbaren Sanktionsverstößen nach hiesiger Auffassung, von der sich bisher auch alle Rechtsschutzversicherungen überzeugen ließen, nicht.